Fundorte
Im Ruhrgebiet herrscht so etwas ähnliches wie das schweizer "Milarit-Syndrom". Ok, sowohl schweizer Bürger als auch Mediziner werden jetzt mit dem Zeigefinger an die Stirn klopfen. Und da haben sie Recht, ich habe den Namen für dieses seltsame Verhalten frei erfunden. Aber warum?

In den schweizer Alpen, genauer im Tavetsch, wurden einst die ersten Milarite überhaupt gefunden. Und lange Zeit galt das Val Mila als Typlokalität, nach dem das Mineral auch seinen Namen erhielt. Ob aus Unkenntnis, was bei dem tavetscher Finder eher bezweifelt werden kann, oder aus purer Absicht, der Fundort wurde falsch angegeben. Erst Jahre später stellte sich der Originalfundort als im Val Giuv befindlich heraus. Das Verfahren, einen falschen Fundort zu nennen war und ist in den Alpen immer noch recht verbreitet.

Im Ruhrgebiet ist die absichtliche Falschangabe von Fundorten, soweit mir bekannt ist, niemals vorgekommen. Das liegt weniger an der Ehrlichkeit der Sammler, als viel mehr an der praktischen Unzugänglichkeit der Fundstellen für Konkurrenten. Trotzdem sind Falschangaben verbreitet, wenn auch aus rational erklärbaren Gründen.

Betrachten wir zuerst einmal die Haldenfunde. Ein Sammler findet etwas auf einer Halde und schreibt auf sein Döschen den Zechennamen als Fundort. So ist er das aus seinen anderen Sammelgebieten gewöhnt. Im Siegerland ist die Halde immer aus der dazugehörigen Mine aufgeschüttet worden. Anders im Ruhrgebiet. Die großen Haldenkomplexe wurden mit Abraum der großen Zechenverbünde aufgeschüttet. Als Beispiel soll einmal die Zeche Prosper-Haniel in Bottrop dienen. Am Ortsrand zu Oberhausen liegt am Schacht der ehemaligen Zeche Franz Haniel ein großer Haldenkomplex. Material auf dieser Halde kann ohne weiteres aus dem Bereich der ehemaligen Zeche Lohberg in Dinslaken (die Grubenfelder wurden übernommen) oder aber aus dem Bereich der ehem. Zeche Prosper in Bottrop stammen. Aber selbst auf der großen Mottbruch-Halde in Gladbeck wurde Material von Prosper-Haniel aufgeschüttet. Diese Halde gehörte ehemals zur Zeche Mathias Stinnes in Essen. Das ist alles sehr verwirrend. Gewissenhafte Sammler haben deshalb auf ihren Etiketten "Halde der Zeche Prosper-Haniel"  oder "Mottbruchhalde" geschrieben.

Bei Sammlern die untertage das Glück hatten und sammeln konnten (von "durften" ist hier keine Rede) stellt sich die Sachlage etwas anders dar. Einige Kenner der untertägigen Strukturen gaben z.B. auf ihren Etiketten an: "Sattelquerschlag blablabla, 5. Sohle, Feld Tralala...". Damit ist ein Fundort genau lokalisierbar und zudem geogolisch einzuordnen wenn man denn die Geologie des betreffenden Bereiches kennt. Tadellos!

Die meisten Sammler haben aber diese Kenntnis nicht oder nahmen sie nicht wichtig. Dann steht halt nur die Zeche auf dem Etikett, auf der sie eingefahren sind. Und genau das ist die problematische Stelle. Kumpel Anton fährt auf Consol 3/4 ein. Consol ist die Kurzform für Zeche Consildation 3/4. Danach wird er mit dem Zug unterirdisch bis an den Blindschacht xx gefahren. Dort geht es wieder nach unten um dann auf dem Förderband noch einmal einige Km zu seinem Streckenvortrieb zu gelangen. Klasse, der Streckenvortrieb liegt in einem Abbaufeld 12km weit vom Schacht Consol 3/4 entfernt, warscheinlich irgendwo unterhalb der ehemaligen Zeche General Blumenthal. So, und nun findet der Glückliche einen Haufen Millerite, die wir mit Glück als Millerite von Consol 3/4 erwerben können. Falsch ist das nicht, jedenfalls nicht absichtlich falsch und eigentlich wurden die ja auch im Grubengebäuder der Zeche Consol gefunden. Nur eben nicht unter Gelsenkirchen sondern unter Recklinghausen...geographische Haarspalterrei! Trotzdem, wäre der Kumpel über General Blumenthal eingefahren, wären die Millerite eben von General Blumenthal gekommen. Ein Fund, aber zwei unterschiedliche Fundorte!

Mir liegt ein Calcit aus der Zeche Wulfen in Dorsten vor. Das war schon alleine ein Knaller, zumal der Calcit recht groß war. Aber irgendwie wurde ich mit dem Teil nicht warm, zu sehr ähnelte er den  Calciten der Zeche Recklinghausen. Eine genaue Untersuchung der Begleitminerale und des Nebengesteins lässt nur zwei Vermutungen zu: Entweder es existierte auf der Zeche Wulfen ein Baryt-Calcit-Vorkommen das dem der Zeche Recklinghausen zum verwechseln ähnlich ist oder der Finder ist in Wulfen eingefahren und hat im Feld der Zeche Recklinghausen gearbeitet, ohne zu wissen wo er gerade untertage ist. Ersteres ist unwarscheinlich, denn so ein Fund wäre publik geworden, zumal so ein Fund sicher nicht hätte verschwiegen werden können. Der zweite Fall kommt aber sehr häufig vor, vor allem wenn man bedenkt das man Untertage von Duisburg nach Dortmund reisen kann ohne jemals an die Oberfläche zu müssen. Naja, ich gebe ja zu, über die A42 geht es schneller!

Als logische Konsequenz muss man die Fundortangaben immer sehr skeptisch behandeln und nicht wie im Erzbergbau üblich slavisch akzeptieren. Ruhrgebietsfundorte geben oft eine Regionalangabe wieder, weniger eine exakt lokalisierbare Stelle.

Aber ganz so schlimm wie ich es beschrieben habe ist es nicht wirklich. Viele Fundorte sind exakt bekannt, weil der Fund entweder von einer aklten Halde stammt (früher waren die Zechen einzelne Unternehmen mit streng abgegrenzten verliehenen Feldern) oder aus einem großen Fund einer überregional bekannten Lokalität (z.B. die Markasite von der Zeche Pluto, die in einem Vorkommen gefunden wurden, das an einen Spring gekoppelt war).
Nur bei den kleineren Funden ist eine genaue Lokalisierung eher schwierig.